Causa Reichelt: Wurde der ›Bild‹-Chef Opfer einer vom Kanzleramt mitinszenierten Intrige?

›Bild‹-Chefredakteur Julian Reichelt hat bis zur Klärung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe (u.a. »Mobbing«, »Machtmissbrauch«) um Beurlaubung gebeten. Der Axel Springer Konzern hat Reichelts Wunsch entsprochen. Es verdichten sich Hinweise, dass der politisch unbequem gewordene Reichelt Opfer von Intrigen ist. Die Spur führt zumindest mittelbar auch ins Kanzleramt.

Im Branchendienst »Horizont« enthüllte die als bestens vernetzt geltende Medienjournalistin Ulrike Simon bislang unbekannte Details. Demnach fand im Frühsommer vergangenen Jahres auf Bitten des Buchautors Benjamin von Stuckrad-Barre ein Termin statt, an dem u.a. Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner und Reichelt teilgenommen haben sollen. Stuckrad-Barre ist in den 90er Jahren als »Popliterat« bekannt geworden. Später hat er in seinem Buch »Panikherz« die eigene Drogen- und Entzugskarriere verarbeitet. Den Springer-Oberen stellte er nun angeblich einen Plan vor, das Image von Reichelts ›Bild‹ aufzupolieren. Zu der Kampagne sollen laut »Horizont« Videos gehört haben, die etwa bei »Instagram« verbreitet werden sollten. Der Vorschlag sei aber von Döpfner und Reichelt abgelehnt worden.

Nicht der einzige Hinweisgeber

Nun, neun Monate später, habe sich Stuckrad-Barres Rolle »ins Gegenteil verkehrt«. Er sei es nämlich, so will die eingangs erwähnte Medienjournalistin Simon erfahren haben, der seit Tagen wahlweise als »ehemaliger Springer-Autor« oder »schriftstellernder Pop-Journalist«, aber immer ohne Nennung seines Namens, durch die Medien geistere. Stuckrad-Barre, schreibt Simon, »ist nicht der einzige, aber ein maßgeblicher Hinweisgeber« im verlagsinternen Compliance-Verfahren gegen Reichelt.

Welche Rolle spielen Ex-›Bild‹-Chefin und Kanzleramt?

Eine andere Spur könnte nach DK-Informationen mittelbar ins Kanzleramt führen, wo Merkel & Co. schon länger einen Hals auf den beurlaubten ›Bild‹-Chef haben, weil Reichelt das Blatt immer migrationskritischer positioniert, das Corona-Chaos der Bundesregierung thematisiert und den EU-Klüngel kritisiert hat. ›Bild‹-Quellen des Deutschland-Kuriers vermuten, dass Ex-›Bild‹-Chefredakteurin Tanit Koch – sie dürfte gewiss mehr als nur eine Rechnung mit Reichelt offen haben – im Hintergrund ebenfalls die Strippen gezogen haben könnte.

Dazu muss man wissen: Der Volljuristin Koch wird ein enges Verhältnis zu Beate Baumann nachgesagt, Leiterin des Kanzlerbüros und engste Vertraute von Angela Merkel (CDU). Die Ex-›Bild‹-Chefin wurde von Reichelt vor zwei Jahren aus dem Amt gedrängt. Sie verfügt aber noch über alte (weibliche) Seilschaften, denen Reichelt womöglich zu nett in den Mantel geholfen hat. So könnte sich der Kreis schließen.

Die Vorwürfe gegen Reichelt reichen von Kokainkonsum (den er bestreitet) über intime Verhältnisse mit Mitarbeiterinnen bis hin zu angeblichem Mobbing und Machtmissbrauch. Reichelt weist alle Vorwürfe zurück. Gegen das Hamburger Gerüchtemagazin »Spiegel«, das Reichelt zuletzt mit der Schlagzeile »Vögeln, fördern, feuern« verunglimpfte, will der 40-Jährige wegen unzulässiger Verdachtsberichterstattung juristisch vorgehen.

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